Montag, 26. Januar 2009
Und, was geht bei dir so ab?
Und, was geht bei dir so ab?
Ja, läuft?

Ich behaupte „Ja, läuft“ ist die oberflächlichste und unehrlichste Antwort der Welt. Reicht es nicht, dass wir uns in diesem unendlichen Kosmos kaum mehr Zeit für schöne Dinge nehmen? Müssen wir uns auch noch das Wertvollste nehmen, die Zwischenmenschlichkeit und das Interesse für das Gegenüber? Ohne Zweifel hat der Prozess längst eingesetzt und heraus kommen solch galante Floskeln wie: „Läuft!“ Bei Licht betrachtet hat „Läuft!“ wirklich gute Chancen zu einem der witzigsten Wörter unserer Sprache zu werden, denn bereits jetzt ziert es die reinste Polemik. Was läuft, oder wer? Aber die Frage ist doch wie? In dieser Unpräzisität kann man sich so wunderbar verstecken. Doch tun dies alle Menschen, oder stellen wir die Frage übers laufen nur, damit sofort angezeigt wir, man solle einem nicht zu nahe kommen? Man solle nicht eindringen? Schlichtweg: Du interessiertst mich nicht und es strengt an, mit dir zu reden, denn sonst müsste auch ich mich öffnen?
„Wie geht’s? Was macht die Liebe?“
(Ich bin allein ….. einsam … einfach total verlassen und fühle dementsprechend.)
„Ja, läuft!“
„Hey Mensch, wie geht’s dir? Und in der Uni?“
(Ich komme gerade von einer an die Wand gesetzten Klausur und mich plagen Zukunftsängste.)
„Super. Läuft.“
Ach Gott, wie geht’s dir? Tanzt du immer noch?
(Mein Arzt hat mir soeben aufgrund meines kaputten Knies eine weitere sportfreie Woche verordnet)
„Ja klar. Läuft!“
Doch wer will die Wahrheit schon hören? Wer nimmt sich die Zeit zuzuhören. Wir alle tragen unser Lebensbuch mit uns herum und sind es gewillt zu füllen. Aber bitte nicht mit dem Leid andrer. Und wenn doch gelangt man zu meinem Fleck. Ich stehe auf ihm, klebe gar fest, denn nicht nur mein eigenes Lebensbuch trage ich, sondern auch so viele einzelne Seiten von den liebenswerten Menschen um mich herum. Nur mein Buch bleibt ganz. Das Leder ist zu schwer, um es zu öffnen. „Mensch Ulli, wie geht’s?“ – „Läuft!“

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